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Wie konnten die Impfungen gegen COVID-19 so schnell entwickelt und zugelassen werden?

Es gibt mehrere Gründe, warum die Entwicklung mehrerer COVID-19 Impfungen vergleichsweise rasant schnell ging. Unter anderem waren einerseits bereits wichtige Vorkenntnisse mit SARS-CoV und MERS-CoV aus früherer Grundlagenforschung vorhanden und andererseits wurde die Entwicklung des Impfstoffs von vielen verschiedenen Firmen gleichzeitig angegangen und die gesicherte Nachfrage machte Überlegungen zu finanziellen Risiken weniger relevant.

Bereits relativ kurze Zeit nach Beginn der Covid-19-Pandemie zeichnete sich ab, dass ein wirksamer Impfstoff gegen SARS-CoV-2 in relativ kurzer Zeit zur Verfügung stehen könnte [1]. In der Tat konnte die Schweizerische Arzneimittelbehörde schon im Dezember 2020, d.h. weniger als ein Jahr nachdem Covid-19 offiziell zur Pandemie erklärt wurde, einen ersten Impfstoff zulassen [2], sodass kurze Zeit später die ersten Impfdosen verabreicht wurden [3].

Eine solche Geschwindigkeit ist aussergewöhnlich, denn bevor überhaupt ein Wirkstoffkandidat gegen eine Krankheit entdeckt wird, braucht es oftmals Jahre oder sogar Jahrzehnte der Grundlagenforschung, um einerseits die chemischen und pharmakologischen Eigenschaften der Wirkstoffkandidaten sowie andererseits die Krankheit selbst sowie die davon betroffenen Körperfunktionen und Organe soweit zu verstehen, dass mögliche Therapieansätze entwickelt werden können. Das Wissen, das dazu notwendig ist, entstammt oftmals Forschungsprojekten, die als reine Grundlagenforschung zu werten sind. So wurden sogenannte Neurotransmitter, die heute insbesondere bei der Behandlung psychischer Erkrankungen eine wichtige Rolle spielen, bereits in den 20er- und 30er-Jahren dank Versuchen an Fröschen und Katzen entdeckt [4]. Das gleiche gilt für die mRNA-Technologie. Auch wenn zuvor noch nie ein mRNA-Impfstoff lizenziert wurde, wird seit Jahrzehnten mit mRNA-Impfstoffen gearbeitet und daran geforscht [9], d.h. dass die Technologie schon vergleichsweise gut erforscht war, als sie zur Entwicklung von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 zum Einsatz kam.

Hat man mögliche Wirkstoffkandidaten gegen eine Krankheit entdeckt, dauert die Entwicklung eines sicheren und wirksamen Arzneimittels in der Regel immer noch mehr als ein Jahrzehnt. Die Gründe dafür sind wissenschaftlicher, wirtschaftlicher und regulatorischer Natur. Wenn es sich um einen komplett neuen Wirkstoff handelt, müssen nämlich zuerst mehrere Jahre (~5 Jahre) lang präklinische Versuche mit Tieren und tierversuchsfreien Methoden durchgeführt werden [5]. Die darauffolgenden klinischen Versuche dauern dann wiederum mehrere Jahre (~5-7 Jahre), wobei im Falle positiver Resultate ein Zulassungsverfahren folgt, das ebenfalls 1 bis 2 Jahre in Anspruch nehmen kann. Mit der Produktion und Verteilung eines Arzneimittels im grossen Stil wird zudem oft erst im Anschluss an die Bewilligung der Zulassungsbehörden begonnen, weil davor die wirtschaftlichen Risiken zu gross wären.

Diese lange Entwicklungszeit gilt grundsätzlich auch für Impfstoffe. Im Falle von Covid-19 konnte die Entwicklung aufgrund verschiedener Gründe massiv beschleunigt werden:

  1. Impfstoffhersteller konnten sich aufgrund der grossen Nachfrage und staatlichen Absicherungen eher leisten, wirtschaftliche Risiken einzugehen. In der Regel wird jeder der oben genannten Schritte im Rahmen der präklinischen und klinischen Forschung durch eine wirtschaftliche Risikobewertung verlangsamt. Da eine Impfstoffentwicklung sehr teuer ist, werden die nächsten Phasen jeweils erst gestartet, wenn das Risiko eines Fehlschlags relativ gering ist und es einen Markt für den Impfstoff gibt.
  2. Eine grosse Zahl von Forschungsgruppen und pharmazeutischen Unternehmen forschte parallel und im Wettbewerb zueinander an verschiedenen Impfstoffen, was die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg erhöhte.
  3. Durch die Vorkenntnisse mit SARS-CoV und MERS-CoV [6] konnte die Entdeckungsphase des biologischen Wirkungsmechanismus für den verwandten SARS-Cov-2 stark verkürzt werden. Die Impfstoffhersteller konnten also an über ein Jahrzehnt Grundlagen- und angewandte Forschung mit diesen beiden Viren anknüpfen und basierend darauf Impfstoffkandidaten entwickeln.
  4. Die Entwicklungsphase der Toxikologiestudien in Tieren konnte zu grossen Teilen von der Entwicklung für Impfstoffkandidaten von SARS-CoV und MERS-CoV übernommen werden.
  5. Die klinischen Versuche im Menschen wurden so entworfen, dass die Phasen teilweise zeitlich überlappen. Zudem wurde mit der Produktion sowie der Verteilungsplanung bereits während den Versuchen begonnen, auch wenn damit das grosse wirtschaftliche Risiko bestand, dass die Impfstoffe gar nie lizenziert werden. Ausserdem standen aufgrund der hohen Verbreitung von COVID-19 sehr viele Patienten für Studien zur Verfügung, was gerade bei seltenen Erkrankungen nicht der Fall ist.
  6. Wegen der akuten Pandemie wurden die behördlichen Zulassungen durch beschleunigte Zulassungsverfahren erteilt. In der Schweiz müssen dabei die gleichen wissenschaftlichen und medizinischen Kriterien erfüllt sein wie bei einem ordentlichen Zulassungsverfahren, jedoch ist es durch gezielte Vorausplanung und einen zeitlich gestaffelten Ablauf möglich, das Zulassungsverfahren zu beschleunigen [7]. Durch die Priorisierung dieses Impfstoffes sind die Aufsichtsbehörden in der Lage, mit der Auswertung bereits während den laufenden (prä-)klinischen Studien in Echtzeit zu beginnen. Trotzdem mussten die Impfstoffhersteller alle für eine ordentlich Zulassung notwendigen Unterlagen und Daten einreichen, um eine Zulassung zu erhalten.
  7. Neueste Impfstofftechnologien sind schneller in der Entwicklung. Die mRNA-Impfstoffe enthalten die genetische Bauanleitung, um ein virales Protein zu bilden. Im Gegensatz zu herkömmlichen Impfstoffen, die u.a. mit Proteinen oder inaktivierten Virenpartikeln immunisieren, können mRNA-Informationen viel schneller modifiziert werden [8].

Die sieben oben genannten Gründe erklären die beschleunigte Entwicklung, die unter Normalzuständen aus wirtschaftlicher Sicht undenkbar wäre. Zur Beschleunigung wurden keine Abstriche bei der Sicherheitsbewertung und der wissenschaftlichen Qualität gemacht.

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Das ist ein Beitrag des Themendossiers «Forschung mit Menschen (FAQ)».

Hier geht es zur Dossierübersicht.

Referenzen

[1]

Krammer, F. SARS-CoV-2 vaccines in development. Nature 586, 516–527 (2020). https://doi.org/10.1038/s41586.. .

[2]

Swissmedic Medienstelle (2021.12.21). Swissmedic erteilt Zulassung für den ersten Covid-19-Impfstoff in der Schweiz. Swissmedic. https://www.swissmedic.ch/swis...

[3]

Tagesschau (2021.12.23). Luzernerin erhält erste Impfung – auch weitere Kantone gestartet. SRF. https://www.srf.ch/news/schwei...

[4]

Animalresearch.info. Medical Advances. Medical discovery timeline. Neurotransmitter demonstrated. https://www.animalresearch.inf...

[5]

Siehe dazu das Reatch-Themendossier «Tierversuche in der Schweiz (FAQ)».

[6]

SARS-CoV (SARS-Coronavirus) und MERS-CoV (MERS-Coronavirus) gehören wie SARS-CoV-2 (SARS-Coronavirus-2) zu der Familie der Coronaviren. Sie haben die SARS-Epdimie (2002/2003) und die MERS-Epidemie (2019) ausgelöst.

[7]

Swissmedic (2021). Wegleitung Beschleunigtes Zulassungsverfahren HMV4. https://www.swissmedic.ch/dam/...

[8]

COVID-19 vaccines are safe, even with long-term data lacking - CNET. https://www.cnet.com/news/covi...

[9]

Nick Tate (2020/2021). COVID-19 Vaccine FAQ: Safety, Side Effects, Efficacy. WebMD. https://www.webmd.com/vaccines...

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Autor*innen

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Team Entwicklung & Qualität und Dossierverantwortlicher "Verantwortungsvolle Tierversuche"

Jonas Füglistaler schloss seinen Master in Biotechnologie an der ETH Zürich ab. Seither arbeitet er im pharmazeutischen R&D Bereich und studiert berufsbegleitend Biostatistik an der UZH. Sein besonderes Interesse gilt neuen Erkenntnissen aus verschiedenen wissenschaftlichen Diziplinen, die zum Fortschritt der Medizin beitragen.

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