Antworten auf häufige Fragen zur Forschung mit Tieren und Menschen finden Sie in den Themendossiers «Tierversuche in der Schweiz (FAQ)» und «Forschung mit Menschen (FAQ)».
Ein Politblog aus dem Tagesanzeiger:
Jetzt ist es amtlich: An den Zürcher Hochschulen werden wieder invasive Versuche an nicht menschlichen Primaten durchgeführt. Bereits 2013 hatten Neurobiologen von Universität und ETH Zürich ein Gesuch eingereicht zur Erforschung grundlegender Hirnprozesse an drei Makaken. Sie machten geltend, dass ihre Arbeit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis psychischer Krankheiten wie Schizophrenie oder Depressionen leistet.
Die Tierversuchskommission folgte dieser Argumentation und empfahl den Antrag im Jahr darauf zur Bewilligung. Wegen eines Rekurses von Tierschützern standen die Versuche aber lange auf der Kippe. Nach knapp dreijährigem Rechtsstreit hat das Zürcher Verwaltungsgericht den Rekurs aber endgültig abgewiesen und grünes Licht gegeben für die Forschenden.
Lange Phase der Rechtsunsicherheit
Das Urteil beendet damit auch eine lange Phase der Rechtsunsicherheit. Vor über zehn Jahren verweigerte die Tierversuchskommission nämlich die Bewilligung für ähnliche Versuche an Makaken. Ein dritter Forscher erhielt ein Jahr später dann doch noch einen positiven Bescheid, wechselte aber ans Deutsche Primatenzentrum in Göttingen, weil er in der Schweiz keine Zukunft mehr für die Primatenforschung sah.
Seine beiden Kollegen entschieden sich derweil für den Gang durch die Instanzen und gelangten bis ans Bundesgericht. Dieses stützte jedoch die Einschätzung der Tierversuchskommission und erteilte den Forschenden 2009 eine Abfuhr: Der zu erwartende Nutzen könne die Belastungen für die Tiere nicht aufwiegen – sie seien deshalb unzulässig.
Die Richter hielten gleichzeitig aber fest, dass dieser Entscheid kein grundsätzliches Verbot von Versuchen mit nicht menschlichen Primaten sei. Auch in Zukunft bedürfe es für jeden Versuch einer Einzelfallbeurteilung. Dennoch wusste niemand so richtig, welche Art von Forschung noch erlaubt sein würde. Bis Universität und ETH Zürich einen neuen Anlauf wagten – und Erfolg hatten.
Der Leistungsausweis der Tierversuchskommission stimmt
Das Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichts ist auch deshalb relevant, weil es das Vertrauen in die Arbeit der Kommission stärkt. Insgesamt viermal hat das Gericht in den vergangenen Jahren über Tierversuche geurteilt und dabei jedes Mal die Empfehlung der Tierversuchskommission gestützt – egal, ob Forschende oder Tierschützer rekurriert hatten.
Dennoch gibt es Luft nach oben. Auch ohne Rekurs ist ein Antragsverfahren ausgesprochen aufwendig und zeitraubend. Zudem ist manchmal nur schwer nachvollziehbar, welche Kriterien und Informationen bei einer Beurteilung jeweils den Ausschlag geben. Ziel muss es also sein, das Antragsverfahren so straff und transparent wie möglich zu gestalten, um die Planbarkeit für alle Beteiligten zu erhöhen.
Heute überprüft das Veterinäramt jeden einzelnen Tierversuch – von der harmlosen Beobachtung einer Kaulquappe im Teich bis zum schwer belastenden Test eines Krebsmedikaments an einer Maus – und nimmt eine Einteilung in vier Schweregrade vor (0 = «keine Belastung» bis 3 = «schwere Belastung»). Anträge ab Schweregrad 1 leitet es an die Tierversuchskommission zur vertieften Beurteilung weiter. So fallen jährlich rund 200 Anträge an, die von den 11 nebenamtlich tätigen Kommissionsmitgliedern behandelt werden müssen. Das dauert.
Strafferes Verfahren oder mehr Kommissionsmitglieder
Um das Verfahren zu straffen, könnte die Bewilligung von leicht belastenden Versuchen (Schweregrad 1) vollständig ans Veterinäramt delegiert werden, wie das bei Versuchen von Schweregrad 0 bereits der Fall ist. Die Mitglieder der Kommission hätten dann mehr Zeit, um sich intensiv um die Beurteilung der mittel und schwer belastenden Versuche zu kümmern.
Oder die Kommission wird vergrössert, um die Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen. Mit diesem Vorgehen liesse sich auch die fachliche Abstützung verbessern. Denn gesetzlich festgeschrieben ist nur, dass die Mitglieder aus den Bereichen Versuchstierkunde, Tierversuche, Ethik und Tierschutz stammen sollen.
Dabei brauchte es zwingend auch Mitglieder mit statistischer und humanmedizinischer Expertise. Denn ein solides statistisches Studiendesign, die Reproduzierbarkeit der Studienergebnisse sowie deren Übertragbarkeit auf den Menschen sind mindestens so wichtig wie tiermedizinische oder ethische Aspekte.
Doch das ist eine Kritik, die den Gesetzgeber bzw. das Veterinäramt und nicht die Kommissionsmitglieder betrifft. Diese sind gewählt, um im Rahmen des herrschenden Tierschutzrechts eine Einzelfallbeurteilung vorzunehmen. Und das Urteil des Verwaltungsgerichts hat bestätigt, dass ihren Einschätzungen grundsätzlich zu trauen ist.
Den Original-Beitrag gibt es hier zu lesen.
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