Ein Gastkommentar in der Bauernzeitung vom 9. August 2019.
Als Wissenschaftler beneide ich die Bauern. Im Gegensatz zu Schweizer Forschenden können sich Landwirte sicher sein, dass ihre Vertreter in Bern jeden Angriff auf ihre Interessen im Keim ersticken. Ob in der Innen- oder der Aussenpolitik: Ohne landwirtschaftlichen Segen läuft erst mal gar nichts. 2006 brachten die Bauern sogar ein fast fertiges Freihandelsabkommen mit den USA zu Fall. Im Gegensatz dazu zittert die Schweizer Forschung seit über fünf Jahren einem stabilen Forschungsabkommen mit der EU entgegen.
Auch in Sachen Imagepflege kann den Bauern niemand das Wasser reichen. Obwohl selbst im Biolandbau mehr Spitzentechnologie und Wissenschaft steckt als in veralteten Uni-Gebäuden, verbinden Herr und Frau Schweizer die Landwirtschaft vor allem mit Naturverbundenheit und Bodenständigkeit. Es wird deshalb Zeit, dass wir Akademiker von den besten Marketing- und Politspezialisten im Land lernen, um unser Image als verschrobene Eierköpfe und abgehobene Besserwisser loszuwerden.
Als Sofortmassnahme könnte man kommunikative Sympathieträger aus der Landwirtschaft als Berater engagieren. Zum Beispiel Armin Capaul. Wer es schafft, die Schweizer Politik im Alleingang auf die (Kuh)Hörner zu nehmen, der kann Menschen auch von der Bedeutung hochmittelalterlicher Lyrik überzeugen oder die Quantentheorie verständlich machen.
Als Nächstes gilt es, der Schweizer Forschung einen bodenständigen und naturverbundenen Anstrich zu verschaffen. Auch hier macht die Landwirtschaft vor, wie's geht: Spitzentechnologie bei der Produktion, Alpöhi und Bergpanorama von anno dazumal auf der Verpackung. Denn: Was der Konsument nicht kennt, das frisst er nicht. Die Forschung sollte sich das zu Herzen nehmen und Geld in professionelle Imagekampagnen investieren. Mit vielsagenden Slogans wie "Schweizer Forschung, ich weiss warum" oder "Medikamente und Therapien. Deine Forscherin bringt's" würde man der Bevölkerung auf subtile Weise die Wissenschaften näher bringen.
Auch volkswirtschaftlich könnten sich Werbekampagnen lohnen. Wenn es die Landwirtschaft schafft, ganze Butterberge mit Hochglanzwerbungen loszuwerden, dann dürften die Universitäten ruhig etwas Geld für Plakate verbuttern, um schwer vermittelbare Akademiker auf den Arbeitsmarkt zu bringen.
Schliesslich braucht es natürlich noch Erlebnisangebote für die Bevölkerung, zum Beispiel ein wissenschaftliches Volksfest am 1. August. Die Lebensmittelingenieure könnten für den «Forscherzmorge» sorgen, die Biotechnologen zur Unterhaltung ein Genmaislabyrinth züchten und die Chemiker ein handgemachtes Feuerwerk zünden.
Ist das alles geschafft, kann das gute Image in politisches Kapital umgemünzt werden. Wie wär's zum Beispiel mit einem Zoll auf ausländische Forschungsergebnisse, um inländische Ideen zu schützen? Damit liesse sich gleich noch verhindern, dass die Schweiz von so garstigen geistigen Ergüssen wie transparenter Parteienfinanzierung oder Vaterschaftsurlaub überschwemmt wird. Oder doch lieber ein Moratorium für wissenschaftlichen Humbug in Politik und Medien?
Wer erst einmal über ein sympathisches Image und politischen Einfluss verfügt, dem lässt man auch die gewagtesten Ideen durchgehen. Man muss nur wissen, was man will. Leider sind wir Wissenschaftler schlecht darin, uns auf konkrete politische Forderungen zu einigen, sodass auf zwei Experten schnell einmal fünf Meinungen kommen. Aber auch hier könnten wir von den Bauern lernen: Die wissen schliesslich von Berufs wegen, wie man einen versprengten Haufen gackernder Hühner zusammenhält.
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