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Unter welchen Voraussetzungen erhalten Medikamente, Impfstoffe und andere medizinische Produkte eine Marktzulassung?

Für alle Therapien mit Zulassungserfordernis braucht es in der Schweiz wissenschaftliche Daten, die zeigen, dass die Therapie wirksam, sicher und qualitativ hochwertig ist. Diese Daten stammen aus präklinischen Versuchen (z.B. aus Tierversuchen), dem pharmazeutischen Herstellungsprozess und den klinischen Studien am Menschen. Dabei muss jeder Wirkstoff mindestens zweimal von den Zulassungsbehörden für den Einsatz am Menschen bewilligt werden: Einmal für die Verwendung im Rahmen von klinischen Versuchen, ein zweites Mal für die Verwendung in der medizinischen Praxis.

Beim ersten Bewilligungsverfahren müssen eine kantonale Ethikkommission sowie das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic darüber entscheiden, ob klinische Versuche angesichts des potentiellen Nutzens und der zu erwartenden Risiken vertretbar sind. Grundlage für diesen Entscheid sind Daten aus präklinischen Versuchen sowie Informationen zu den chemischen Eigenschaften und zur Produktionsqualität des Wirkstoffs. Das zweite Bewilligungsverfahren beginnt erst nach Abschluss der klinischen Versuche, welche die Wirksamkeit und Sicherheit des Arzneimittels am Menschen testen. Die Resultate dieser Studien werden erneut den Behörden vorgelegt. Diese entscheiden unter Berücksichtigung aller gesammelten Daten, ob die medizinischen und wissenschaftlichen Voraussetzungen für eine Marktzulassung erfüllt sind. Der gesamte Entwicklungsprozess eines neuen Arzneimittels kann so insgesamt ein bis zwei Jahrzehnte in Anspruch nehmen.

Damit ein neues Arzneimittel eine Zulassung für die Behandlung einer bestimmten Krankheit bekommt, sind umfangreiche wissenschaftliche Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit nötig. Dafür braucht es präklinische Studien (z.B. Tierversuche), klinische Arzneimittelstudien am Menschen [2] sowie Daten über die chemischen und pharmakologischen Eigenschaften des Arzneimittels.

Vor den klinischen Versuchen mit Menschen werden neue Wirkstoffe zuerst eingehend in vitro sowie in vivo an Tieren getestet, um ihre Wirksamkeit und Sicherheit so gut wie möglich abschätzen zu können [2]. Zusätzlich muss ein pharmazeutisches Unternehmen nachweisen können, dass es den Wirkstoff nach hohen und gleichbleibenden Qualitätsstandards produzieren kann. Mit diesem Nachweis und den Daten aus präklinischen Versuchen kann bei den Regulierungsbehörden ein Antrag auf die Durchführung von klinischen Versuchen mit Menschen gestellt werden [3]. Bei Studien mit neuen Arzneimitteln müssen sowohl eine kantonale Ethikkommission wie auch die Schweizerische Heilmittelbehörde Swissmedic ihre Zustimmung zur Durchführung geben [4].

Die klinischen Versuche am Menschen dienen zuerst dazu, die Verträglichkeit, Aufnahme, Verteilung, Umwandlung und Ausscheidung eines Wirkstoffs beim Menschen bestimmen zu können. Danach muss ein Wirkstoff weiter auf seine Sicherheit und Wirksamkeit getestet und eine optimale Dosierung gefunden werden. Schiesslich muss gezeigt werden, dass ein Wirkstoff verglichen mit bestehenden Therapien einen Behandlungsvorteil bringt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein Wirkstoff wirksamer oder einfacher in der Anwendung ist oder wenn er mit weniger Nebenwirkungen einhergeht. All dies geschieht in einem aufwändigen mehrstufigen Verfahren [5].

Um eine Marktzulassung zu erhalten, müssen die Resultate aus der klinischen Forschung gemeinsam mit den Ergebnissen aus den vorangehenden Entwicklungsschritten bei Swissmedic eingereicht werden. Das Zugangsgesuch muss dabei von den Arzneimittelherstellern erfolgen, d.h. Swissmedic darf nicht von sich aus tätig werden und ein Zulassungsverfahren initiieren. Swissmedic darf ein neues Arzneimittel nur dann zulassen, wenn genügend wissenschaftliche Nachweise für die Wirksamkeit und Sicherheit eines Arzneimittels vorliegen und wenn die Abwägung der Nutzen und der Risiken positiv ausfällt.

Die Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit ist dabei immer relativ zur Schwere der Erkrankungen und bereits bestehenden Handlungsoptionen vorzunehmen. So darf ein Medikament gegen eine lebensbedrohliche Krankheit wie Alzheimer, für die noch keine wirksame Therapie besteht, höhere Risiken haben, um zugelassen zu werden, als beispielsweise ein Wirkstoff gegen Heuschnupfen, bei dem bereits sichere und wirksame therapeutische Alternativen zugelassen sind. Nach einer Zulassung wird die Wirksamkeit und Sicherheit im Alltag in Beobachtungsstudien weiter untersucht [5]. Zudem werden Nebenwirkungen im Rahmen der sogenannten «Pharmakovigilanz» weiterhin erfasst und ausgewertet, um potentiell seltene Nebenwirkungen, die in präklinischen und klinischen Versuchen unentdeckt blieben, möglichst schnell erkennen zu können [6].

Bei neuen Medikamenten und Impfstoffen vergehen so für den gesamten Prozess der Entdeckung eines möglichen Wirkstoffs bis zur Zulassung im Normalfall ein bis zwei Jahrzehnte. Dabei wird im Schnitt mit der Forschung an über 10’000 Wirkstoffkandidaten begonnen, von welchen es weniger als 5 Wirkstoffkandidaten in die klinischen Studien schaffen und wovon schliesslich nur einer zugelassen wird [7]. Solche aufwändigen Zulassungs- und Entwicklungsverfahren sind aber nicht für alle Formen von medizinischen Behandlungen notwendig. Im Gegensatz zu Arzneimitteln oder Medizinprodukten müssen chirurgische Eingriffe beispielsweise nicht behördlich genehmigt werden.

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Das ist ein Beitrag des Themendossiers «Forschung mit Menschen (FAQ)».

Hier geht es zur Dossierübersicht.

Referenzen

[2]

Siehe dazu das Reatch-Themendossier «Tierversuche in der Schweiz (FAQ)».

[3]

Siehe dazu die Frage «Wer bewilligt Forschungsprojekte mit Menschen?» im Reatch-Themendossier «Forschung mit Menschen (FAQ)».

[7]

Novartis (2021). Novartis in der Schweiz. Seite 10. https://www.novartis.ch/sites/...

[8]

Swissmedic (2021). Wegleitung Zulassung Humanrzneimittel mit bekanntem Wirkstoff HMV4. https://www.swissmedic.ch/dam/...

[9]

Swissmedic (2020). Fragen und Antworten zur Zulassung von Biosimilar. https://www.swissmedic.ch/swis...

[10]

Swissmedic (2021). Wegleitung Zulassung Humanrzneimittel mit bekanntem Wirkstoff HMV4. https://www.swissmedic.ch/dam/...

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Autor*innen

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Team Entwicklung & Qualität und Dossierverantwortlicher "Verantwortungsvolle Tierversuche"

Jonas Füglistaler schloss seinen Master in Biotechnologie an der ETH Zürich ab. Seither arbeitet er im pharmazeutischen R&D Bereich und studiert berufsbegleitend Biostatistik an der UZH. Sein besonderes Interesse gilt neuen Erkenntnissen aus verschiedenen wissenschaftlichen Diziplinen, die zum Fortschritt der Medizin beitragen.

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