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Faktencheck: «Für ein Verbot schwerbelastender Tierversuche» vom Schweizerischen Tierschutz STS

Aussagen zu Tierversuchen mit besonderem Fokus auf den Schweizer Kontext und schwerbelastende Versuche.

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Antworten auf häufige Fragen zur Forschung mit Tieren und Menschen finden Sie in den Themendossiers «Tierversuche in der Schweiz (FAQ)» und «Forschung mit Menschen (FAQ)».

Die Publikation wurde 2019 herausgegeben vom «Schweizerischen Tierschutz STS». Autorin ist Dr. med. vet. MLaw Julika Fitzi-Rathgen, Leiterin der STS-Fachstelle «Tierversuche». Link zur Publikation: http://www.tierschutz.com/tierversuche/schwerbelastende/pdf/verbot_schwerbelastende_tiervers.pdf (abgerufen am 12. Januar 2020).

Behauptung C1: Die Übertragbarkeit von Therapien, die mit Tierversuchen entwickelt wurden, liege bei maximal 5 bis 10%.

Originaltext

«Die Effizienz von Tierversuchen, aus denen letztlich neue Medikamente und Therapien für den Menschen entwickelt werden sollen, liegt, selbst nach jahrzehntelanger Forschung und endlos vielen Experimenten mit weltweit jährlich über 100 Millionen Tieren, bei maximal 5–10% (S. 3)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Für diese Behauptungen wurde keine Quelle angegeben.

Was stimmt?

Siehe Behauptung A4.

Tierversuche dienen zudem nicht nur der Entwicklung von Medikamenten von Menschen und Tieren, sondern laut Schweizer Gesetz auch dem Schutz der Umwelt, der Grundlagenforschung und der Entwicklung von Medikamenten für Tiere [1]. Bei solchen Forschungszielen ist die Übertragbarkeit auf den Menschen kein relevantes Kriterium.

Referenzen

[1] Art. 137 Abs. 1 Tierschutzverordnung (https://www.admin.ch/opc/de/cl..., abgerufen am 13. Februar 2020).

Behauptung C2: Evaluationsstudien würden auch in der Schweiz deutliche qualitative Mängel von Tierversuchsstudien zeigen.

Originaltext

«Auch in der Schweiz zeigen Evaluationsstudien deutliche Mängel von hier durchgeführten und bewilligten Tierversuchen und experimentellen Tierstudien auf. Daraus lässt sich ableiten, dass die bewilligten Tierversuche kaum Aussagekraft haben dürften und das Leiden und die Ängste der meisten Tiere wahrscheinlich wohl umsonst waren. (S. 3)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Als Quellen werden zwei Publikationen der Universität Bern angegeben (Vogt et al. 2016; Reichlin et al. 2016) [1, 2].

Was stimmt?

Vogt et al. 2016 [1] untersuchten die Nennung von sieben Massnahmen, um systematische Verzerrungen («Biases») der wissenschaftlichen Ergebnisse zu verhindern. Diese Massnahmen wurden in Tierversuchsanträgen und den sich daraus ergebenden Publikationen untersucht und bestanden aus

  1. verblindeter Gruppeneinteilung;
  2. verblindeter Durchführung der Experimente;
  3. Randomisierung;
  4. Stichprobenberechnung;
  5. Definition von Einschluss- und Ausschlusskriterien;
  6. Festlegen primärer Zielvariablen;
  7. Erstellen eines statistischen Analyseplans.

Die Untersuchung zeigte, dass die Massnahmen nur bei einer Minderheit der Anträge und Publikationen erwähnt wurden: Bei den untersuchten Anträgen betrug die höchste durchschnittliche Nennung einer Massnahme 19% (Nennung der primären Zielvariable), bei den Publikationen 34% (statistischer Analyseplan). Diese Zahlen belegen eine mangelnde Dokumentation essentieller methodischer Massnahmen zur wissenschaftlichen Qualitätssicherung. Es lässt sich aber nicht feststellen, ob die Massnahmen einfach nicht erwähnt wurden oder tatsächlich fehlten. Insofern ist es falsch, den entsprechenden Tierversuchen pauschal die wissenschaftliche Aussagekraft abzusprechen.

Es lässt sich jedoch sehr wohl sagen, dass den Bewilligungsbehörden bzw. den wissenschaftlichen Magazinen essentielle Informationen fehlten, um die Qualität der von der Untersuchung erfassten Anträge und Publikationen zu prüfen. Das spricht nicht gegen Tierversuche per se, sondern gegen unsaubere Forschung (unabhängig vom verwendeten Modell) und für eine Verbesserung der Prüfung der methodischen Qualität von Experimenten beim Bewilligungsverfahren (auch hier: unabhängig vom verwendeten experimentellen Modell).

Die zweite Publikation, von Reichlin et al. (2016) [2], zeigte die Ergebnisse einer Umfrage unter Schweizer Forschenden zur Verwendung von und dem Wissen über Massnahmen, welche systematische Verzerrungen bei Tierversuchen verhindern sollen. Die Befragung zeigte, dass Forschende laut eigenen Angaben sehr viel häufiger zu solchen Massnahmen griffen, als es die Ergebnisse von Vogt et al. 2016 vermuten liessen. Die Befragung zeigte aber auch, dass die Mehrheit der Befragten mangelnde Kenntnisse zur effektiven Bekämpfung von systematischen Verzerrungen aufwies.

Referenzen

[1] Vogt, L., Reichlin, T. S., Nathues, C., & Würbel, H. (2016). Authorization of Animal Experiments Is Based on Confidence Rather than Evidence of Scientific Rigor. PLoS Biology, 14(12), 1–24. https://doi.org/10.1371/journa...

[2] Reichlin, T. S., Vogt, L., & Würbel, H. (2016). The Researchers’
View of Scientific Rigor—Survey on the Conduct and Reporting of In Vivo
Research. PLoS ONE, 11(12), 1–20.

Behauptung C3: Die Tierversuchszahlen und Belastungen der Tiere [in der Schweiz] seien annähernd unverändert hoch.

Originaltext

«Die Tierversuchszahlen und Belastungen der Tiere [in der Schweiz] sind annähernd unverändert hoch, insbesondere in den mittel und stark belastenden Schweregraden (SG2, SG3). (S. 4)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Als Quelle wird die Tierversuchsstatistik des Bundes angegeben [1].

Was stimmt?

Die offiziellen Zahlen bestätigen, dass die Tierversuchszahlen nach einer rapiden Reduktion in den 80er- und frühen 90er-Jahren in der Schweiz seit der Jahrtausendwende mehr oder weniger stabil blieben.

Im gleichen Zeitraum (2000-2017) haben sich die privaten und öffentlichen Forschungsausgaben im Bereich der biomedizinischen Grundlagenforschung, der klinischen Forschung und der Medikamentenentwicklung verdoppelt bis verdreifacht [2], ohne dass dies zu einem Anstieg bei der Verwendung von Tieren in der Forschung geführt hätte. Ebenso hat sich von 2005 bis 2018 die Anzahl der laufenden Tierversuchsbewilligungen um knapp 500 erhöht (von 2987 auf 3481) [3], ohne dass dies zu einem Anstieg der Versuchstiere geführt hätte. Pro Bewilligung hat die Anzahl der Tiere also abgenommen. Zu bemerken ist hierbei, dass das nicht in jedem Fall wünschenswert ist, da zu geringe Tierzahlen bei einem einzelnen Versuch dazu führen können, dass die wissenschaftlichen Resultate zu wenig aussagekräftig sind.

Referenzen

[1] Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (2019), Anzahl Tiere von 1983 - 2018 (https://www.tv-statistik.ch/de..., abgerufen am 05. Februar 2020).

[2] Bundesamt für Statistik (2019), Forschung und Entwicklung (F+E) - Aufwendungen (https://www.bfs.admin.ch/bfs/d..., abgerufen am 05. Februar 2020).

[3] Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (2019), Bewilligungen (https://www.tv-statistik.ch/de..., abgerufen am 05. Februar 2020).

Behauptung C4: Die Grundlagenforschung mit Tierversuchen boome, obwohl sie qualitative Mängel habe und ihre Aussagekraft und Übertragbarkeit auf den Menschen mangelhaft sei (S. 4).

Originaltext

«Die Grundlagenforschung mit Tierversuchen boomt, trotz qualitativer Mängel, fehlender Aussagekraft und mangelnder Übertragbarkeit auf den Menschen (S. 4).»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Für keine der Behauptungen ist eine Quelle angegeben. Die Grafik, auf die verwiesen wird, zeigt lediglich, dass der relative Anteil der Tierversuche an Universitäten, ETHs und Spitälern angestiegen ist (bei ungefähr gleichbleibender Gesamtzahl von Tierversuchen). Für die «qualitativen Mängel», die «fehlende Aussagekraft» und die «mangelnde Übertragbarkeit auf den Menschen» sind keine Quellen angegeben.

Was stimmt?

Bzgl. qualitativen Mängeln siehe Behauptung C2 und Behauptungen B11ff. Bzgl. Aussagekraft und Übertragbarkeit siehe Behauptungen B2ff.

Hier ist zudem zu erwähnen, dass belastende Tierversuche nicht nur der Entwicklung von Medikamenten von Menschen und Tieren, sondern laut Schweizer Gesetz auch dem Schutz der Umwelt, der Grundlagenforschung und der Entwicklung von Medikamenten für Tiere dienen dürfen [1]. Die Übertragbarkeit von Ergebnissen aus Tierversuchen auf den Menschen ist nur dann entscheidend, wenn der entsprechende Versuch überhaupt diesen Zweck verfolgt. Steht jedoch die Erforschung von biologischen Grundlagen oder der Schutz der Gesundheit von Tieren bzw. der Schutz der Umwelt im Vordergrund, dann ist mangelnde Übertragbarkeit auf den Menschen kein valides Bewertungskriterium. So werden beispielsweise auch für die Erforschung der sogenannten «Chytridiomykose», einer gefährlichen Pilzerkrankungen von Amphibien, Tierversuche eingesetzt [2] - die Ergebnisse daraus zielen aber nur auf den Schutz der Gesundheit der Tiere und auf den Schutz der Umwelt.

Referenzen

[1] Art. 137 Abs. 1 Tierschutzverordnung (https://www.admin.ch/opc/de/cl..., abgerufen am 13. Februar 2020).

[2] Koordinationsstelle für Amphibienschutz - und Reptilienschutz in der Schweiz. Chytridiomykose (http://www.karch.ch/karch/de/h..., abgerufen am 5. Februar 2020).

Behauptung C5: Das Tierwohl in der Versuchstierhaltung sei im Vergleich zum Heim- und Wildtier viel schlechter geschützt (S. 4).

Originaltext

«Das Tierwohl in der Versuchstierhaltung ist im Vergleich zum Heim- und Wildtier viel schlechter geschützt (S. 4).»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Es werden keine Quellen angeben.

Was stimmt?

Die Auflagen für Haltungsbedingungen in Bezug auf Mindestgrössen der Gehege und Rückzugsmöglichkeiten sind im Heimtierbereich strenger als bei Forschungstieren (in der Schweiz). Bei Mäusen wird im Heimtierbereich beispielsweise eine Mindestfläche von 500 bis 900 cm2 pro Maus gefordert, wohingegen es im Versuchstierbereich lediglich 60 bis 100 cm2 sind. Auch bzgl. den zulässigen Eingriffen bestehen wesentliche Unterschiede: So sind beispielsweise die Entnahme von Blut oder Gabe von Medikamenten zu Forschungszwecken mittels «Gavage» bei Versuchstieren zulässig, wenn es das Experiment bedingt; im Heimtierbereich jedoch undenkbar.

Die strengeren Anforderungen an die Heimtierhaltung sind unter anderem damit zu erklären, dass sie einer «vorweggenommenen Güterabwägung» entsprechen. Der gesellschaftliche Nutzen von Versuchstieren wird höher eingeschätzt als der gesellschaftliche Nutzen von Heimtieren, womit auch die Grenze der zulässigen Belastungen bei den Versuchstieren höher liegt. Aus rechtlicher Sicht ist allerdings zu bedenken, dass gesetzliche Mindestanforderungen die Grenze zur Tierquälerei darstellen, was bedeutet, dass im Heimtierbereich der Tatbestand der Tierquälerei rechtlich bei geringeren Belastungen erfüllt ist als bei Versuchstieren.

Bezüglich des Vollzugs ist zu erwähnen, dass die gesetzlichen Bestimmungen zur Kontrolle und Überwachung vonseiten der Behörden im Versuchstierbereich strenger sind als im Heimtierbereich. So müssen kantonale Fachstellen die Versuchstierhaltungen laut Gesetz mindestens einmal jährlich kontrollieren und auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen hin überprüfen. Ebenso müssen die Fachstellen jährlich mindestens bei einem Fünftel der bewilligten Tierversuche die Durchführung kontrollieren, wobei die Auswahl sich an der Belastung und der Anzahl der Tiere orientiert [1].

Vergleichbare gesetzliche Vorschriften fehlen im Heimtierbereich. Das kann dazu führen, dass Heimtierhalter ihre Haustiere nicht artgerecht halten, z.B. indem sie sie überfüttern, nicht genügend Auslauf bieten oder soziale Tiere einzeln halten. So schätzte die Schweizerische Vereinigung für Kleintiermedizin 2018, dass rund 40% aller Hunde und Katzen übergewichtig seien [2]. Gewisse Privatbesitzer setzen ihre Haustiere zudem illegalerweise aus, was von Tierschutzorganisationen ebenso kritisiert wird [3] wie das Überfüttern von Haustieren [4].

Diese Beispiele zeigen, dass pauschale Vergleiche des gesetzlichen Schutzes von Tieren im Heim- und Versuchstierbereich schwierig zu machen sind und bei der Beurteilung zumindest zwischen den gesetzlichen Mindestvorschriften, den Haltungszwecken und deren Vollzug bzw. Überprüfung unterschieden werden sollte.

Referenzen

[1] Art. 216 Abs. 3 & 4 Tierschutzverordnung (https://www.admin.ch/opc/de/cl..., abgerufen am 5. Februar 2020). Die Kantone können strengere Richtlinien erlassen und die einzelnen Forschungsinstitutionen können sich selber zu Richtlinien verpflichten, die über das gesetzliche Minimum hinausgehen, z.B. jene der Association for Assessment and Accreditation of Laboratory Animal Care International (https://www.aaalac.org/) oder die Charter on Animal Welfare von Interpharma (https://www.actelion.com/documents/corporate/policies-charters/charter-interpharma-animal-welfare.pdf).

[2] Zittlau, Jörg (2018). Übergewicht: Fast die Hälfte aller Katzen und Hunde sind betroffen (https://www.aargauerzeitung.ch..., abgerufen am 26. April 2020). Zu beachten ist, dass nicht in Erfahrung gebracht werden konnte, wie die Schweizerische Vereinigung für Kleintiermedizin die Schätzung vorgenommen hat. Die Zahlen scheinen aber im Einklang zu stehen mit entsprechenden Erhebungen im Ausland.

[3] Miller, Anna (2020). Tierschützer schlagen Alarm: Tausende Katzen verenden in der Schweiz qualvoll ( https://www.watson.ch/schweiz/..., abgerufen am 10. Februar 2020).

[4] Stiftung für das Tier im Recht (2014). Überfütterung ist Tierquälerei (https://www.tierimrecht.org/de..., abgerufen am 26. April 2020).

Behauptung C6: Was bei uns routinemässig bewilligt und kaum je abgelehnt werde, dürfe innerhalb der EU nur ausnahmsweise bewilligt und durchgeführt werden (S. 4).

Originaltext

«Was bei uns routinemässig bewilligt und kaum je abgelehnt wird, darf innerhalb der EU nur ausnahmsweise bewilligt und durchgeführt werden (S. 4).»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Als Quelle wird die Tierversuchsrichtlinie der Europäischen Union angegeben [1].

Was stimmt?

In der Tat wird in der Schweiz nur eine kleine Zahl der beantragten Tierversuche abgelehnt. Dennoch handelt es sich um keine routinemässige Bewilligungen, da das Antragsverfahren eine Prüfung durch mehrere Instanzen umfasst und die Mehrheit der Anträge nur mit Auflagen bewilligt wird [2].

Ebenso wenig ist ersichtlich, inwiefern die EU-Gesetzgebung als strenger zu erachten ist als jene in der Schweiz. Im Gegensatz zur Schweiz ist in der EU beispielsweise keine Güterabwägungspflicht bei allen belastenden Tierversuchen vorgeschrieben. Die Mitgliedstaaten können für nicht-, leicht- und mittelbelastende Versuche ein vereinfachtes Antragsverfahren festlegen [3]. In der Schweiz müssen alle leicht-, mittel- und schwerbelastenden Versuche von einer Tierversuchskommission beurteilt werden [4].

Ebenso müssen in der EU Inspektionen von Institutionen, die Tierversuche durchführen, jährlich nur bei einem Drittel aller Institutionen erfolgen [5]. In der Schweiz sind die Inspektionen bei allen Institutionen mindestens einmal jährlich vorgeschrieben [6].

Referenzen

[1] Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (https://eur-lex.europa.eu/LexU..., abgerufen am 5. Februar 2020).

[2] Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. Bewilligungen Tierversuche. (https://www.tv-statistik.ch/de..., abgerufen am 5. Februar 2020).

[3] Art. 42 der Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (https://eur-lex.europa.eu/LexU..., abgerufen am 5. Februar 2020).

[4] Art. 139 Abs. 4 Tierschutzverordnung (https://www.admin.ch/opc/de/cl..., abgerufen am 5. Februar 2020).

[5] Art. 34ff. der Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (https://eur-lex.europa.eu/LexU..., abgerufen am 5. Februar 2020).

[6] Art. 216 Abs. 1 TSchV (https://www.admin.ch/opc/de/cl..., abgerufen am 5. Februar 2020).

Behauptung C7: In der Schweiz gebe es keine Belastungsobergrenze im Schweregrad 3.

Originaltext

«Als ganz besonders problematisch ist aber die fehlende Belastungsobergrenze im SG3 zu beurteilen: Tiere, die bereits höchste Belastungen erfahren (und deshalb in den SG3 eingeteilt werden), können im Versuch durchaus noch stärker belastet werden (S. 5)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Keine Quelle angegeben / Gesetzgebung.

Was stimmt?

Das Schweizer Gesetz nennt keine absolute Belastungsobergrenze. Trotz Fehlen einer absoluten Obergrenze ist eine relative Belastungsobergrenze gesetzlich jedoch vorgesehen. Jeder belastende Tierversuch muss einer Güterabwägung unterzogen werden, welche die Belastungen für die Tiere mit dem zu erwartenden Nutzen abwägen muss. Je grösser die kumulative Belastung, desto grösser muss auch der zu erwartende Nutzen sein. Die Abwägung im Einzelfall obliegt den einzelnen kantonalen Behörden, sodass keine national einheitlichen Kriterien existieren, jedoch müssen Versuche von Schweregrad 3 immer von der gesamten Kommission beurteilt werden.

Die Diskussion über eine Belastungsobergrenze wird auch von akademischer und juristischer Seite geführt. Das Positionspapier der Schweizer Akademien der Naturwissenschaften und der Medizinischen Wissenschaften zu den ethischen Grundsätzen und Richtlinien von Tierversuchen nennt unter Ziffer 3.5., dass bestimmte Versuchsanordnungen mit derart schwerem Leiden verbunden seien, dass eine Güterabwägung immer zugunsten der Tiere ausfallen werde, womit zumindest eine implizite Obergrenze vorhanden wäre [1]. Die Zürcher Hochschulen veröffentlichten in den 90er-Jahren eine Liste mit unzulässigen Versuchen (Arbeitsgruppe für Tierschutzfragen an den Zürcher Hochschulen, ETH und Universität 1997). Und die EU-Richtlinie 2010/63/EU zum Umgang mit Versuchstieren fordert aus ethischer Sicht ebenfalls eine Obergrenze [3].

Referenzen

[1] SAMW & SCNAT (2005). Ethische Grundsätze und Richtlinien für Tierversuche (https://www.samw.ch/dam/jcr:8d..., abgerufen am 30. Januar 2020).

[2] Arbeitsgruppe für Tierschutzfragen an den Zürcher Hochschulen, ETH und Universität. (1997). Liste nicht mehr zulässiger Tierversuche an den Zürcher Hochschulen. ALTEX, 14(2), 61–62.

[3] Erwägung 23 der Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (https://eur-lex.europa.eu/LexU..., abgerufen am 24. April 2020).

Behauptung C8: Die Erkenntnisse aus Studien von physisch und psychisch maximal belasteten Tieren seien auch wissenschaftlich betrachtet, äusserst fragwürdig.

Originaltext

«Die Erkenntnisse aus Studien von physisch und psychisch maximal belasteten Tieren sind, auch wissenschaftlich betrachtet, äusserst fragwürdig, denn sie können nachgewiesenermassen die Ergebnisse verfälschen, womit auch die Aussagekraft der Versuche und die Übertragbarkeit auf den Menschen stark eingeschränkt ist. (S. 6)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Für die Behauptung ist keine Quelle angegeben.

Was stimmt?

Stress und Belastungen können die Ergebnisse von Tierversuchen in der Tat beeinflussen und damit die Ergebnisse verfälschen (siehe dazu auch die Anmerkungen zu Behauptung A9). Entscheidend ist, zwischen Stressoren zu unterscheiden, die der zu beantwortenden wissenschaftlichen Frage zugrunde liegen, und Stressoren, die nichts mit dieser Frage zu tun haben. Letztere gilt es sowohl aus wissenschaftlicher wie auch aus ethischer Sicht zu verhindern, erstere sind zur Beantwortung der wissenschaftlichen Frage oft nicht zu vermeiden. So führen beispielsweise chronische entzündliche Darmerkrankungen bei Mäusen in der Tat zu einer Reduktion des Wohlbefindens. Diese Reduktion des Wohlbefindens ist aber auch bei menschlichen Patienten vorhanden, sodass der Stressor zum Krankheitsbild gehört und der zu beantwortenden wissenschaftlichen Frage zugrunde liegt. Ein von der konkreten Forschungsfrage unabhängiger Stressor stellt aber beispielsweise die Belastung durch Lärm in der Tierhaltung oder mangelnde Akklimatisierungszeit dar. Diese Stressoren können auch die wissenschaftliche Fragestellung verzerren.

Schliesslich ist zu erwähnen, dass es in Schweizer Gesetzgebungen vorgeschrieben ist, dass Tiere bei Schmerzen mit entsprechenden Schmerzmitteln behandelt werden müssen, was auch bei Tierversuchen des höchsten Schweregrads gilt [1].

Referenzen

[1] Art. 135 TSchV (https://www.fedlex.admin.ch/el..., abgerufen am 5. Februar 2020).

Behauptung C9: Studien in verschiedenen Ländern würden die qualitativen Probleme im Bereich der Tierveruchsforschung bestätigen.

Originaltext

«Ähnliche Studien in anderen Ländern kamen zu gleichen Resultaten [wie die beiden in Behauptung C2 erwähnten Studien aus der Schweiz]. (S. 6)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Als Referenzen werden mehrere Quellen aus wissenschaftlichen Fachpublikationen angegeben (Kilkenny et al. 2009; Knight 2007; Lindl et al. 2005; Macleod et al. 2015; Pound and Bracken 2014; van der Worp et al. 2010) [1, 2, 3, 4, 5, 6].

Was stimmt?

Die oben zitierten Publikationen zeigen methodische Mängel wie mangelnde Verblindung, mangelnde Randomisierung, Anfälligkeit für methodische Biases und unsachgemässe statistische Behandlung der Daten auf, die bei den untersuchten Studien weit verbreitet waren. Die in den oben genannten Publikationen aufgezeigten Mängel sind zu vermeiden - unabhängig davon, ob sie im Rahmen von Tierversuchen, Zellkultur-Studien oder Versuchen an Menschen auftreten.

Bezüglich der Behauptung zu den qualitativen Mängeln siehe die Anmerkungen zu Behauptung C2 und Behauptungen B11ff. Bezüglich der Behauptung zu Aussagekraft und Übertragbarkeit siehe die Anmerkungen zu Behauptungen B2ff.

Referenzen

[1] Kilkenny, C., Parsons, N., Kadyszewski, E., Festing, M. F. W., Cuthill, I. C., Fry, D., Hutton, J., & Altman, D. G. (2009). Survey of the Quality of Experimental Design, Statistical Analysis and Reporting of Research Using Animals. PLoS ONE, 4(11), 1–11. https://doi.org/10.1371/journa...

[2] Knight, A. (2007). Systematic Reviews of Animal Experiments Demonstrate Poor Human Clinical and Toxicological Utility. ATLA, 35, 641–659.

[3] Lindl, T., Völkel, M., & Kolar, R. (2005). Tierversuche in der biomedizinischen Medizin. ALTEX, 22(3), 143–151.

[4] Macleod, M. R., Lawson McLean, A., Kyriakopoulou, A., Serghiou, S., de Wilde, A., Sherratt, N., Hirst, T., Hemblade, R., Bahor, Z., Nunes-Fonseca, C., Potluru, A., Thomson, A., Baginskitae, J., Egan, K., Vesterinen, H., Currie, G. L., Churilov, L., Howells, D. W., & Sena, E. S. (2015). Risk of Bias in Reports of In Vivo Research: A Focus for Improvement. PLoS Biology, 13(10), 1–12. https://doi.org/10.1371/journa...

[5] Pound, P., & Bracken, M. B. (2014). Is animal research sufficiently evidence based to be a cornerstone of biomedical research? British Medical Journal, 348, 5.

[6] van der Worp, H. B., Howells, D. W., Sena, E. S., Porritt, M. J., Rewell, S., O’Collins, V., & Macleod, M. R. (2010). Can Animal Models of Disease Reliably Inform Human Studies? PLoS Medicine, 7(3), 1–8. https://doi.org/10.1371/journa...

Behauptung C10: 90% aller Tierversuche würden keinen erkennbaren Nutzen bringen.

Originaltext

«So schliesst beispielsweise die US-amerikanische Food & Drug-Administration (FDA) aus einer Reihe von Evaluationen und eigenen kritischen Berichten, dass die Effizienz von Tierversuchen zur Medikamenten- und Therapieentwicklung bei maximal 10% liegt. D.h. 90% aller Tierversuche bringen keinen erkennbaren Nutzen und die Tiere leiden umsonst. (S. 7)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Keine Quellen angegeben.

Was stimmt?

Siehe die Anmerkungen zu Behauptung C1, Behauptung C4 und vor allem Behauptung A4.

Behauptung C11: Neueren Schätzungen zufolge würden nur 5% der Entdeckungen aus der Grundlagenforschung innerhalb eines Jahrzehnts in einen klinischen Nutzen für den Menschen münden.

Originaltext

«Neueren Schätzungen zufolge münden nur gerade 5% der Entdeckungen aus der Grundlagenforschung innerhalb eines Jahrzehnts in einen klinischen Nutzen für den Menschen, obwohl sie als «wegweisend, «äusserst relevant» und «bahnbrechend» angekündigt werden. (S. 7)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Als Quellen werden eine Übersichtsseite des amerikanischen «National Center for Advancing Translational Sciences» sowie eine Fachpublikation genannt (Akhtar 2015) [1].

Was stimmt?

Siehe die Anmerkungen zu Behauptung C1, Behauptung C4 und vor allem Behauptung A4.

Referenzen

[1] Akhtar, A. (2015). The Flaws and Human Harms of Animal Experimentation. Cambridge Quarterly of Healthcare Ethics, 24, 407–419.

Behauptung C12: Keine der 150 Substanzen, die in einem transgenen Mausmodell für Entzündungen und Blutvergiftungen entwickelt wurden, hätten in klinischen Studien Erfolg gezeigt.

Originaltext

«Das in den letzten Jahrzehnten in Tierversuchen häufig verwendete transgene Mausmodell zur Identifizierung und Testung von Substanzen gegen Entzündungen und Blutvergiftungen beim Menschen, war im Tierversuch zwar vielversprechend, erwies sich aber in keiner der 150 klinischen Studien mit den als erfolgversprechendsten getesteten Substanzen als wirksam bei ernsthaft erkrankten Patienten. (S. 7)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Als Quelle wird ein Artikel im Fachmagazin «PNAS» angegeben, welche die genetische Reaktion auf Entzündungen in Menschen und Mäusen vergleicht (Seok et al. 2013) [1].

Was stimmt?

Siehe dazu die Anmerkungen zu Behauptung B7.

Referenzen

[1] Seok, J., Warren, H. S., Cuenca, A. G., Mindrinos, M. N., Baker, H. V., Xu, W., Richards, D. R., McDonald-Smith, G. P., Gao, H., Hennessy, L., Finnerty, C. C., López, C. M., Honari, S., Moore, E. E., Minei, J. P., Cuschieri, J., Bankey, P. E., Johnson, J. L., Sperry, J., … the Inflammation and Host Response to Injury, Large Scale Collaborative Research Program. (2013). Genomic responses in mouse models poorly mimic human inflammatory diseases. Proceedings of the National Academy of Sciences, 110(9), 3507–3512. https://doi.org/10.1073/pnas.1...

Behauptung C13: 10 Jahre nach der Markteinführung nahm die US Food & Drug Administration (FDA) die Zulassung für ein Medikament gegen Blutvergiftungen beim Menschen zurück, welches der Pharmakonzern Eli Lily daraufhin vom Markt nehmen musste. Das damals einzig zugelassene Medikament habe sich in den präklinischen Studien mit Tierversuchen als wirksam erwiesen, aber dann aber bei kranken Patienten versagt.

Originaltext

«10 Jahre nach der Markteinführung nahm die US Food & Drug Administration (FDA) die Zulassung für ein Medikament gegen Blutvergiftungen beim Menschen zurück, welches der Pharmakonzern Eli Lily daraufhin vom Markt nehmen musste. Das damals einzig zugelassene Medikament erwies sich in den präklinischen Studien mit Tierversuchen als wirksam, versagte dann aber bei den kranken Patienten. (S. 7)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Als Quelle wird ein Kommentar im Fachmagazin «Journal of the American Medical Association» angegeben (Mitka 2011) [1].

Was stimmt?

Die Aussage ist korrekt. Das Medikament unterlief vor der Zulassung - wie jedes Medikament - klinische Tests an Menschen, welche die Wirksamkeit ebenfalls überschätzten. Das Beispiel ist also nicht in erster Linie ein Argument gegen Tierversuche, sondern für sorgfältige und unverzerrte präklinische und klinische Forschung. Siehe zudem die Anmerkungen zu Behauptung A4 und Behauptung B7.

Referenzen

[1] Mitka, M. (2011). Drug for Severe Sepsis Is Withdrawn From Market, Fails to Reduce Mortality. JAMA, 306(22). https://doi.org/10.1001/jama.2...

Behauptung C14: Bis heute gebe es kein wirksames, auf der Grundlage von Tierversuchen entwickeltes Medikament gegen Alzheimer, obwohl 172 verschiedene genetisch veränderte Maus- und Ratten-Modelle in der Alzheimer-Forschung eingesetzt würden und mehr als 300 Therapiemethoden beim Tier als erfolgreich eingestuft worden seien.

Originaltext

«Bis heute gibt es kein wirksames, auf der Grundlage von Tierversuchen entwickeltes Medikament gegen Alzheimer. Obwohl 172 verschiedene genetisch veränderte Maus- und Ratten-Modelle in der Alzheimer-Forschung eingesetzt werden und mehr als 300 Therapiemethoden beim Tier als erfolgreich eingestuft wurden, scheitern die erfolgversprechendsten Entwicklungen mehrheitlich in der Anwendung beim Menschen und müssen wegen Wirkungslosigkeit oder starker Nebenwirkungen nach der Markteinführung wieder zurückgezogen werden. (S. 7)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Keine Quelle angegeben.

Was stimmt?

Siehe die Anmerkungen zu Behauptung B5.

Behauptung C15: Eine Studie habe gezeigt, dass von über 400 klinischen Studien zur Alzheimer-Therapie beim Menschen nur 0.4% am Ende zu einer Verbesserung der klinischen Symptome bei den Patienten führten.

Originaltext

«Eine Studie zeigt auf, dass von über 400 klinischen Studien zur Alzheimer-Therapie beim Menschen nur 0,4% am Ende zu einer Verbesserung der klinischen Symptome bei den Patienten führten. (S. 7)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Als Quelle wird Review im Fachmagazin «Alzheimer’s Research and Therapy» (Cummings et al. 2014) angegeben [1].

Was stimmt?

Siehe die Anmerkungen zu Behauptung B5.

Referenzen

[1] Cummings, J. L., Morstorf, T., & Zhong, K. (2014). Alzheimer’s disease drug-development pipeline: Few candidates, frequent failures. Alzheimer’s Research & Therapy, 6(4), 37. https://doi.org/10.1186/alzrt2...

Behauptung C16: Bisher sei nur eine einzige beim Menschen wirksame Therapie gegen Schlaganfälle zugelassen, welches nur bei 5% der Schlaganfallpatienten verwendet werden könne. (S. 7)

Originaltext

«Bisher wurde nur eine einzige beim Menschen wirksame Therapie [gegen Schlaganfälle] zugelassen. Diese hilft zum einen nur bei den ischämischen Schlaganfällen und zum anderen nur innerhalb von 4,5 Std. nach dem Anfall. Somit kommen nur 5% der Schlaganfall-Patienten in den «Genuss» dieser Therapie. Dies obwohl mehr als 4000 Publikationen von Studien zu solchen Tierversuchen mit Tiermodellen vorliegen, in denen 700–1000 Medikamente und Behandlungsmethoden – viele davon erfolgreich – getestet wurden. (S. 7/8)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Als Quellen werden vier Fachpublikationen angegeben (Canazza et al. 2014; Howells et al. 2010) [1, 2]. sowie (Greek and Menache 2013; Macleod et al. 2004) [3, 4].

Was stimmt?

Siehe dazu die Anmerkungen zu Behauptung B5.

Referenzen

[1] Canazza, A., Minati, L., Boffano, C., Parati, E., & Binks, S. (2014). Experimental models of brain ischemia: A review of techniques, magnetic resonance imaging, and investigational cell-based therapies. Frontiers in Neurology, 5, 1–15.

[2] Howells, D. W., Porritt, M. J., Rewell, S. S., O’Collins, V. E., Sena, E. S., van der Worp, B. H., Traystman, R. J., & Macleod, M. R. (2010). Different strokes for different folks: The rich diversity of animal models of focal cerebral ischemia. Journal of Cerebral Blood Flow & Metabolism, 30, 1412–1431.

[3] Greek, R., & Menache, A. (2013). Systematic Reviews of Animal Models: Methodology versus Epistemology. International Journal of Medical Sciences, 10.

[4] Macleod, M. R., O’Collins, T., Howells, D. W., & Donnan, G. A. (2004). Pooling of Animal Experimental Data Reveals Influence of Study Design and Publication Bias. Stroke, 35, 1203–1208.

Behauptung C17: Die FDA werfe Novartis das Verschweigen von manipulierten Testdaten von Studien mit Tieren vor der Zulassung der Gentherapie Zolgensma vor.

Originaltext

«Druckfrisch sozusagen auch der Skandal um Novartis, in dem es um Datenmanipulationen aus Produktetests an Tieren geht. Die FDA wirft Novartis das Verschweigen dieser manipulierten Testdaten vor der Zulassung der Gentherapie Zolgensma vor, das mit einem Preis von gut 2 Millionen Dollar pro Einmaldosis das teuerste Medikament der Welt ist. FDA-Mitarbeiter inspizierten in den letzten Wochen die Produktionsstätte im kalifornischen Irvine. In einem Bericht wurden mehrere Mängel festgehalten, darunter auch, dass die Verfahren zur Qualitätskontrolle nicht vollständig eingehalten wurden. (S. 8)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Als Quelle wird ein Artikel der Neuen Zürcher Zeitung vom 07. August 2019 angegeben [1].

Was stimmt?

Novartis hat die Manipulation von Daten aus Tierversuchen zugegeben und macht ehemalige Top-Manager dafür verantwortlich. Die Manipulation von Daten ist eine inakzeptable Verletzung wissenschaftsethischer und rechtlicher Prinzipien - unabhängig davon, ob Daten aus Versuchen an Menschen, Tieren oder in-vitro-Studien betroffen sind.

Referenzen

[1] NZZ (2019). Novartis wegen Manipulation von Testdaten im Visier der US-Aufseher (https://www.nzz.ch/wirtschaft/novartis-wegen-manipulation-von-testdaten-im-visier-der-us-aufseher-ld.1500336, abgerufen am 12. Februar 2020).

[2] Erman, Michael (2019). Novartis blames former AveXis executives for Zolgensma data manipulation. Reuters (https://www.reuters.com/article/us-novartis-avexis/novartis-blames-former-avexis-executives-for-zolgensma-data-manipulation-idUSKBN1W922Q, abgerufen am 12. Februar 2020).

Behauptung C18: Der zunehmende Tierverbrauch an Universitäten und Hochschulen müsse kritisch beurteilt werden, weil ein Grossteil der in der Grundlagenforschung verwendeten Tiere nicht für die Entwicklung konkreter neuer Medikamente oder Therapien zum Nutzen von Mensch und Tier eingesetzt werde, sondern in erster Linie dem Erkenntnisgewinn für die weitergehende Forschung diene.

Originaltext

«Der zunehmende Tierverbrauch an Universitäten und Hochschulen muss deshalb kritisch beurteilt werden, weil ein Grossteil der in der Grundlagenforschung verwendeten Tiere nicht für die Entwicklung konkreter neuer Medikamente oder Therapien zum Nutzen von Mensch und Tier eingesetzt wird, sondern vielfach geht es in erster Linie um den Erkenntnisgewinn für die weitergehende Forschung. (S. 8)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Keine Quelle angegeben.

Was stimmt?

Ein Grossteil der universitären Forschung dient der Erforschung von grundlegenden Erkenntnissen, deren direkter medizinischer Nutzen nicht von vornherein absehbar ist. Jedoch sind die von der Grundlagenforschung beantworteten Fragestellungen - sofern die damit zusammenhängenden Experimente methodisch und qualitativ sauber durchgeführt werden - vielfach notwendige Grundlagen für die Medikamenten- und Therapieentwicklung an Tieren und an Menschen, indem sie wichtige Erkenntnise für die weiterführende Forschung und präklinische bzw. klinische Anwendungen liefern.

Die Grundlagenforschung fällt zudem unter die in Art. 137 Abs. 1 TschV genannten zulässigen Forschungszwecke und ist damit auch gesetzlich geschützt. Hinzuzufügen ist schliesslich, dass mit Tierversuchen auch Erkenntnisse zum Schutz der Umwelt und zur Förderung der Gesundheit von Tieren geschaffen werden. Der praktische Nutzen für die menschliche Medizin ist damit nur einer von mehreren Kriterien für die Bewertung der Nützlichkeit von Tierversuchen.

Siehe dazu auch die Anmerkungen zu Behauptung C4.

Behauptung C19: Über die Hälfte der gezüchteten Versuchstiere würden gar nicht in Tierversuchen eingesetzt werden.

Originaltext

«Allein im Jahr 2018 in den 145 bewilligten Versuchstierhaltungen [wurden] insgesamt 1’061’891 Versuchstiere gezüchtet und aufgezogen sowie weitere 267’634 Tiere zusätzlich gekauft und importiert. Gesamt wurden somit im Jahr 2018 rund 1’330’000 Tiere in Versuchstierhaltungen gehalten. Tatsächlich in Tierversuchen eingesetzt wurden allerdings «nur» etwas weniger als die Hälfte (586’643 Tiere). Ein solcher Überschuss ist jedes Jahr üblich und entsteht, gemäss Information des BLV, weil die Tiere «nicht die notwendigen Kriterien» für den Einsatz im Tierversuch erfüllen, «z.B. nicht das richtige Geschlecht oder – in gentechnisch veränderten Zuchtlinien – nicht die notwendigen genetischen Eigenschaften» mitbringen (S. 9)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Als Quelle wird die Tierversuchsstatistik des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen angegeben [1, 2].

Was stimmt?

Die Zahlen sind korrekt wiedergegeben und entsprechen den offiziellen Statistiken. Um die Verschwendung von Tieren in der Zucht zu verringern, werden verbesserte Zuchtmethoden entwickelt. Oftmals fallen überzählige Tiere an, weil ein bestimmter homozygoter Genotyp nur bei einem Viertel der Nachkommen auftritt. Zur Verwendung beider Geschlechter in Tierversuchen, siehe auch die Anmerkungen zu Behauptung A10.

Referenzen

[1] Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. Versuchstierhaltungen. (https://www.tv-statistik.ch/de..., abgerufen am 12. Februar 2020).

[2] Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. Tierversuchsstatistik. (https://www.tv-statistik.ch/de..., abgerufen am 12. Februar 2020).

Behauptung C20: Allein die Versuchstierhaltung der Labornager habe 2018 ca. 220 Millionen CHF gekostet.

Originaltext

«Den grössten Teil der Versuchstiere machen wie immer die Labornager aus. Im Jahr 2018 waren es gesamt rund 1’250’000 Mäuse, Ratten, Gerbils und weitere Nagetiere, wovon gut 70% gentechnisch verändert waren (865’134 Tiere) [...]. Allein die Versuchstierhaltung dieser Labornager kostete 2018 ca. 220 Millionen CHF (600’000 CHF/Tag für alle Labornager; Berechnung mit 40–50 Rappen/Tag/Nager je nach Tierart). (S. 9/10)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Als Quellen werden eine analoge Berechnung der Deutschen Forschungsgesellschaft [1] sowie eine Kostentabelle der Universität Leipzig [2] angegeben.

Was stimmt?

Die Rechnung geht davon aus, dass alle Tiere während des ganzen Jahres gehalten wurden. Die meisten Tiere werden jedoch nur für eine begrenzte Zeit gehalten. Insbesondere jene Tiere, die bei Züchtungen den falschen Genotyp aufweisen, werden meist frühzeitig getötet. Auch die meisten in Versuchen eingesetzten Mäuse werden nur ein paar Wochen oder Monate alt.

Um die Kosten für Versuchstierhaltungen einordnen zu können, müssten diese in Relation gesetzt werden zu anderen Ausgaben wie beispielsweise Lohn- oder Infrastrukturkosten, die insgesamt im Bereich der biomedizinischen Forschung bzw. der Forschung insgesamt auftreten. Diese Zahlen müssten die Universitären und Forschungsinstitutionen liefern.

Die Zahlen der Universität Leipzig sind mindestens 15 Jahre alt und müssten wohl auf das heutige Kostenniveau und den heutigen Wechselkurs angepasst werden.

Referenzen

[1] Deutsche Forschungsgesellschaft (2018). Richtwerte für die Beantragung von Tierkosten (https://www.dfg.de/formulare/5..., abgerufen am 12. Februar 2020).

[2] Schweizer Tierschutz STS (2013). Steuergelder für Tierversuche (http://www.tierschutz.com/medi..., abgerufen am 12. Februar 2020). Die Originalzahlen sind mittels Wayback-Machine einsehbar (https://web.archive.org/web/20..., abgerufen am 24. April 2020).

Behauptung C21: Versuchstiere würden lebenslang in Gefangenschaft gehalten und seien im Vergleich zu Heim- und Wildtieren in der Schweiz viel schlechter geschützt.

Originaltext

«Versuchstiere werden lebenslang in Gefangenschaft gehalten und sind im Vergleich zu Heim- und Wildtieren in der Schweiz viel schlechter geschützt. (S. 10)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Es wurden keine Quellenangaben genannt.

Was stimmt?

Versuchstiere werden in der Tat lebenslang in Gefangenschaft gehalten und im überwiegenden Teil der Fälle spätestens am Ende eines Versuchs getötet. Zum Schutzstatus von Versuchstieren im Vergleich mit Heim- und Wildtieren siehe die Anmerkungen zu Behauptung C5.

Behauptung C22: Die Alimentierung von Tierversuchen koste den Steuerzahler jährlich schätzungsweise über 200 Millionen Franken und sei nicht gleichwertig mit der Alimentierung der 3R-Forschung und -Entwicklung.

Originaltext

«Der Schweizer Tierschutz STS fordert seit vielen Jahren eine mindestens gleichwertige Unterstützung der 3R-Forschung und -Entwicklung analog der Alimentierung von Tierversuchen, welche die Steuerzahler jährlich schätzungsweise weit über 200 Millionen Franken kostet. (S. 11)»

Worauf stützt sich die Behauptung?

Keine Quelle angegeben.

Was stimmt?

Es ist unklar, auf welchen Berechnungen die Zahlen beruhen. Wenn damit die in Behauptung C22 genannten Kosten für die Haltung von Versuchstieren gemeint sind, dann ist der Vergleich irreführend, da die Fördergelder für 3R den laufenden Kosten für die Tierhaltungen gegenübergestellt werden. Ein sinnvoller Vergleich müsste für eine Gegenüberstellung die relevanten Kosten sauber aufschlüsseln und zudem zwischen Fördergeldern auf der einen und Infrastrukturfinanzierung auf der anderen Seite unterscheiden. Wenn die Kosten für die Tierhaltung als Alimentierung von Tierversuchen gewertet werden, dann müssten Kosten für Computerserver, Infrastruktur für in-vitro-Kulturen und Laboratorien umgekehrt als Alimentierung von Alternativ-Methoden in die Berechnung einfliessen.


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Autor*innen

Autor*in

Präsidium, Fundraising

Servan Grüninger ist Mitgründer und Präsident von Reatch. Er hat sein Studium mit Politikwissenschaften und Recht begonnen und mit Biostatistik und Computational Science abgeschlossen. Zurzeit doktoriert er am Institut für Mathematik der Universität Zürich in Biostatistik. Weitere Informationen: www.servangrueninger.ch.

Autor*in

Team Entwicklung & Qualität und Dossierverantwortlicher "Verantwortungsvolle Tierversuche"

Jonas Füglistaler schloss seinen Master in Biotechnologie an der ETH Zürich ab. Seither arbeitet er im pharmazeutischen R&D Bereich und studiert berufsbegleitend Biostatistik an der UZH. Sein besonderes Interesse gilt neuen Erkenntnissen aus verschiedenen wissenschaftlichen Diziplinen, die zum Fortschritt der Medizin beitragen.

Fabio Hasler

Autor*in

Mitarbeiter Kommunikation

Fabio Hasler hat einen Master in Biologie von der ETH Zürich. Die letzten drei Jahre arbeitete er in der immunologischen Grundlagenforschung am Universitätsspital Zürich.

Autor*in

Pascal Broggi studiert im Master Molecular Bioenginnering an der ETH Zürich. Momentan arbeitet er als Praktikant im Pharmakologie Department von Roche, wo er an der Entwicklung von 3D-Zellmodellen forscht, die für die Validierung der Medikamentenwirkung verwendet werden können. Sein besonderes Interesse gilt sogenannten Organ-on-a-chip Systeme, die funktionelle Organeinheiten nachahmen und zum Fortschritt der Medizin beitragen sollen.

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