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Eine Initiative will «Menschenversuche» verbieten - was würde das für die Forschung am Menschen in der Schweiz bedeuten?

Ein Totalverbot der Forschung mit Menschen würde nicht nur zu einem wissenschaftlichen Kahlschlag führen, sondern auch die Sicherheit von Patient*innen gefährden, weil der enge Wissenstransfer zwischen Forschung und Behandlung nicht mehr möglich wäre. Patient*innen mit unheilbaren Krankheiten müssten zudem für die Teilnahme an klinischen Studien mit potentiell wirksamen Medikamenten ins Ausland ausweichen.

Die Initiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot» verlangt ein totales Verbot von wissenschaftlichen Versuchen mit Menschen und Tieren sowie aller daraus entstehenden Arzneimittel [1]. Eine Annahme der Initiative würde ein Kahlschlag der wissenschaftlichen Forschung in der Schweiz bedeuten, weil sämtliche Projekte mit Menschen und Tieren [2] verboten wären [3]. Sowohl die Humanforschung wie auch die Forschung mit Tieren haben jedoch eine enorme wissenschaftliche, medizinische und gesellschaftliche Bedeutung.

Ohne an Tieren und Menschen forschen zu können, ist es insbesondere in der Biomedizin nicht mehr möglich, neue Erkenntnisse über menschliche und tierische Krankheiten zu schaffen. Betroffen wäre nicht nur die Medikamentenentwicklung, sondern auch medizinische Beobachtungsstudien, die biomedizinische Grundlagenforschung oder die Epidemiologie. Einen Corona- oder Grippe-Impfstoff zu entwickeln, wäre in Zukunft genauso wenig möglich wie die Entwicklung eines neuen Krebsmedikaments. Auch Antikörperstudien mittels Blutuntersuchungen, wie sie während der Pandemie zum Erforschen der Ausbreitung gemacht wurden, oder wissenschaftliche Befragungen von Patient*innen wären künftig verboten. Ebenso müsste die Forschung mit toten Personen sowie mit personenbezogenen Gesundheitsdaten und Biomaterialen künftig verboten werden, weil auch das laut Humanforschungsgesetz als «Forschung am Menschen» gilt [4]. Selbst Forschungsprojekte ausserhalb der Biomedizin wären nicht mehr erlaubt, wenn man den Wortlaut der Initiative ernst nimmt. Denn auch in der Psychologie, der Verhaltensökonomie, den Sportwissenschaften, der Soziologie und anderen Sozial- und Geisteswissenschaften spielen Menschen eine entscheidende Rolle als Versuchsteilnehmer*innen [5].

Ebenso würde sie das Wohlergehen und die Gesundheit von Patient*innen schwer gefährden. Die Schweiz nimmt mit ihrer strengen und gesetzlich harmonisierten Regulierung von biomedizinischer Forschung am Menschen weltweit eine Vorreiterrolle ein und kann damit einen hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandard gewährleisten. Gut geplante und durchgeführte klinische Studien bieten eine hohe Aussagekraft über die Wirksamkeit und Sicherheit neuer medizinischer Verfahren am Menschen. Weil sie auch mit gewissen Risiken verbunden sind, werden sie nur nach einer umfassenden Risiko-Nutzen-Analyse zugelassen, wobei die Patientensicherheit an erster Stelle steht und die Teilnahme in jedem Fall freiwillig ist [6]. Ausserdem bergen klinische Studien auch den grössten potentiellen Nutzen für Patienten.

Mit der Initiative wäre die Durchführung solcher Studien in der Schweiz nicht mehr möglich. Und weil insbesondere an Universitätsspitälern eine enge Verzahnung von Forschung und medizinischer Behandlung besteht, würde das die Gesundheit von dort behandelten Patient*innen gefährden, weil behandelnde Ärzt*innen nicht mehr auf dem aktuellsten Stand der biomedizinischen Forschung wären. Darüber hinaus wären Schweizer Patient*innen gegenüber dem Ausland massiv benachteiligt, weil sie keinen Zugang mehr hätten zu erfolgversprechenden neuen Medikamenten, die sich noch in der Entwicklung befinden. Gerade bei Krankheiten, bei denen es noch keine wirksamen Therapien gibt, sind Arzneimittelstudien auch aus Sicht des Patientenwohls wichtig, weil die damit sehr früh Zugang zu neuen Medikamenten erhalten [7]. Anders als von den Initianten gewünscht, würde ein Verbot sämtlicher Humanforschung in der Schweiz die Patientensicherheit nicht verbessern, sondern gefährden, weil Patient*innen für Arzneimittelstudien ins Ausland ausweichen müssten, was - wenn überhaupt - nur mit grossem Aufwand möglich wäre.

Schliesslich will die Initiative auch die Einfuhr von Arzneimitteln verbieten, die dank Studien an Mensch oder Tier im Ausland entwickelt wurden. Wenn also eine Forschungsgruppe aus England einen Durchbruch in der Alzheimerforschung erzielt oder in Deutschland ein Impfstoff gegen HIV/AIDS entwickelt würde, dann wären Schweizer*innen von den daraus entstehenden Therapien ausgeschlossen [8].

Noun Due Diligence 424234

Das ist ein Beitrag des Themendossiers «Forschung mit Menschen (FAQ)».

Hier geht es zur Dossierübersicht.

Referenzen

[1]

Eidgenössische Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot – Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt», https://www.bk.admin.ch/ch/d/p...

[2]

Zur Forschung mit Tieren, siehe das Reatch-Themendossier «Tierversuche in der Schweiz (FAQ)». Zur Forschung mit Menschen, siehe das Reatch-Themendossier «Forschung mit Menschen (FAQ)».

[3]

Eidgenössische Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot – Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt», https://www.bk.admin.ch/ch/d/p...

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Präsidium, Fundraising

Servan Grüninger ist Mitgründer und Präsident von Reatch. Er hat sein Studium mit Politikwissenschaften und Recht begonnen und mit Biostatistik und Computational Science abgeschlossen. Zurzeit doktoriert er am Institut für Mathematik der Universität Zürich in Biostatistik. Weitere Informationen: www.servangrueninger.ch.

Autor*in

Team Entwicklung & Qualität und Dossierverantwortlicher "Verantwortungsvolle Tierversuche"

Jonas Füglistaler schloss seinen Master in Biotechnologie an der ETH Zürich ab. Seither arbeitet er im pharmazeutischen R&D Bereich und studiert berufsbegleitend Biostatistik an der UZH. Sein besonderes Interesse gilt neuen Erkenntnissen aus verschiedenen wissenschaftlichen Diziplinen, die zum Fortschritt der Medizin beitragen.

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