CO2

Wie eine liberale Klimapolitik aussieht

Das gescheiterte CO2-Gesetz hat marktwirtschaftliche Grundsätze zu wenig berücksichtigt. Ein neuer Vorschlag muss auf Effizienz, internationale Kooperation und Technologieoffenheit setzen.

Der folgende Artikel wurde im September im Schweizer Monat veröffentlicht.

Es war eine faustdicke Überraschung, als das Schweizer Stimmvolk am 13. Juni das CO2-Gesetz ablehnte. Praktisch alle Parteien, viele Verbände und sogar manche Kirchen warben für ein Ja. Trotzdem scheiterte die Vorlage. Die Gründe dafür sind zahlreich. Gemäss Umfragen spielten finanzielle Vorbehalte bei vielen eine Rolle. Trotzdem wäre die Schlussfolgerung, dass die Mehrheit für den Klimaschutz nur Lippenbekenntnisse übrighat, zu kurz gegriffen.

Das Gesetz setzte zu stark auf Vorschriften und Verbote, was in der liberalen Schweiz Abwehrreflexe auslöst. Ein gutes Ziel zu verfolgen reicht nicht, wenn die vorgeschlagenen Mittel ungeeignet sind, um dieses Ziel zu erreichen. Leider geht diese Differenzierung in der Klimaschutzdebatte oft vergessen. Gerade die Befürworter des Gesetzes neigen zu moralisch aufgeladenen Äusserungen. Das ist in der komplexen Debatte um einen wirksamen Klimaschutz aber fehl am Platz und zeigt vor allem eine mangelnde Bereitschaft, sich kritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Die meisten jener, die sich gegen das Gesetz gewandt haben, wollen durchaus Klimaschutz. Einigen ging das Gesetz zu wenig weit; sie wollten radikalere und härtere Massnahmen. Und eine nicht geringe Zahl von Liberalen war gegen dieses Gesetz, weil es ineffiziente und unbrauchbare Massnahmen enthielt, die in einem zu krassen Missverhältnis zu den zu erwartenden positiven Effekten standen. Gerade in der FDP dürften diese Personen einen beachtlichen Teil ausgemacht und massgeblich zum Absturz des Gesetzes beigetragen haben.

Dirigistische Massnahmen

Besonders negativ aufgefallen sind im CO2-Gesetz die stark nationale Perspektive, die dirigistischen Ansätze im Gebäude- und Fahrzeugbereich, der mangelhaft kontrollierte Klimafonds sowie eine reichlich arbiträr anmutende Flugticketabgabe. Das Gesetz schrieb einen sehr hohen Anteil der Treibhausgasreduktionen – 75 Prozent – im Inland vor. Für die CO2-Konzentration in der Atmosphäre spielt es keine Rolle, wo die Einsparungen erfolgen, zudem ist es im Ausland viel günstiger, dieselbe Menge an CO2 einzusparen.

Ebenfalls unverständlich ist, dass das Gesetz sich zum internationalen CO2-Handel ausschwieg. In der EU existiert bereits ein Emissionshandelssystem, das zwar noch verbessert werden kann, aber immerhin an marktwirtschaftlichen Kriterien orientiert ist. Gerade weil das Problem globaler Natur ist, wäre ein internationaler CO2-Handel oder -Preis das effizienteste Mittel, um den CO2-Ausstoss zu senken.

Zweifelhaft war auch, ob die Vorschriften im Gebäude- und Mobilitätsbereich sinnvoll gewesen wären. So wurden für Heizungen genaue Vorschriften erlassen, ohne die jeweilige Situation adäquat zu berücksichtigen. Es ist durchaus denkbar, dass in einem alpinen Ferienhaus eine Ölheizung mehr Sinn als eine Wärmepumpe
macht, weil diese aufgrund der niedrigen Temperaturen einen schlechten Wirkungsgrad hat. Ebenso sind die Vorschriften für Neuwagen fragwürdig. Eine gewisse Abstimmung mit europäischen Regeln mag in diesem Bereich durchaus sinnvoll sein. Letztlich spielt es aber keine Rolle, was für Heizungen genau verbaut wurden und welche Fahrzeuge fahren, solange der totale Treibhausgasausstoss sinkt.

Ähnlich ungeschickt hat sich der Gesetzgeber bei der Flugticketabgabe angestellt. Statt die CO2-Abgabe auf Flugbenzin auszuweiten, sollten arbiträre neue Abgaben eingeführt werden. Ein Flickenteppich aus verschiedenen Abgaben wäre entstanden. Auch hier werden die internationalen Bestrebungen eines Emissionshandels in der Luftfahrt nicht ausreichend berücksichtigt.

Der letzte und wohl grösste Kritikpunkt am vorgelegten Gesetz war der geplante Klimafonds. Mit schätzungsweise einer Milliarde Franken pro Jahr wäre der Fonds sehr üppig ausgestattet worden. Dafür waren die Verwendungszwecke jedoch sehr vage gehalten. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass diese Gelder
effizient eingesetzt worden wären. Woher sollten die zuständigen Stellen auch wissen, welche neuen Konzepte erfolgreich sein könnten und finanzielle Förderung verdienten? Sie würden wohl vor allem ihnen sympathische Personen und gut vermarktete Projekte unterstützen. Eine solche Klientelwirtschaft wäre sowohl finanziell
als auch ökologisch unverantwortlich.

Die genannten Kritikpunkte machen eines deutlich: In der Diskussion zum CO2-Gesetz wurde die liberale Stimme zu wenig gehört. Diese Punkte sind Beispiele für eine staatsgläubige Politik, die meint, die öffentliche Verwaltung sehe zukünftige Entwicklungen exakt vorher und könne entsprechend handeln. Aus dem
Gesetz sprach eine Lust an Regeln, Vorschriften und Steuern, die liberal denkenden Menschen sauer aufstösst.

Wie würde ein Vorschlag aus liberaler Sicht für ein besseres Gesetz aussehen? Welche Instrumente eignen sich und welche nicht? Zunächst ist festzuhalten, dass Klimaschutz auch ein liberales Anliegen ist.  Treibhausgasemissionen verursachen externe Kosten, die nicht von den Verursachern getragen werden. Diese
Marktverzerrung macht ein korrigierendes Eingreifen nötig. Der Umstand, dass die Kosten aufgrund der komplexen Natur des Problems nur schlecht abschätzbar sind, ändert daran wenig. Das Ziel ist klar: Die Emissionen sollen bis Mitte des Jahrhunderts auf null sinken. Das ist eine äusserst herausfordernde Aufgabe, da in allen Lebensbereichen Energie und damit indirekt auch Treibhausgase eine grosse Rolle spielen. Die Abkehr von fossilen Treibstoffen kommt einer neuen industriellen Revolution gleich.

Zwar gibt es schon eine Reihe vielversprechender Technologien, was manche zu der Aussage verleitet, das Problem sei technisch schon gelöst. Dabei geht vergessen, dass mitnichten klar ist, wie die einzelnen Technologien im Gesamtsystem am besten zusammenspielen und ob sich alle im grossen Stil einsetzen lassen.
Gerade bei der Stromversorgung, die wegen der Elektrifizierung von Mobilität und Heizungen eine immer grössere Bedeutung erhält, sind grundlegende Fragen der Langzeitspeicherung noch nicht geklärt. Man darf nicht vergessen, dass die heutige Reserve zur Stabilisierung des Stromnetzes fast ausschliesslich aus fossilen
und nuklearen Kapazitäten stammt, die in naher Zukunft wohl reduziert werden.

Aus diesen Überlegungen ergeben sich eine Reihe von Anforderungen für ein liberales Gesetz zur Reduktion von Treibhausgasen. Erstens muss das Gesetz effizient sein, was gleichbedeutend ist mit marktwirtschaftlichen Mechanismen und einer Orientierung am Verursacherprinzip. Zweitens ist eine globale Perspektive unverzichtbar, da der Klimawandel nicht national gelöst werden kann. Drittens muss das Gesetz technologieoffen sein. Noch ist nicht klar, wie eine Welt ohne Treibhausgasausstoss aussehen
wird. Alle potentiellen Ansätze sollten nutzbar sein und bleiben.

Verursacherprinzip stärken

Effizienz meint eine möglichst grosse Einsparung von Treibhausgasen pro eingesetzten Franken. Auch beim Klimaschutz sollten wir uns keine «Koste es, was es wolle»-Mentalität angewöhnen, denn die finanziellen und zeitlichen Ressourcen sind beschränkt. Ökonomen sind sich einig, dass ein marktbasierter Mechanismus eine optimale Einsparung ermöglicht. Dabei kann entweder ein fixer CO2-Preis vorgegeben oder eine begrenzte Menge Zertifikate ausgegeben und gehandelt werden. Beides hat Vor- und Nachteile. Bei einem fixen Preis herrscht mehr Planungssicherheit bezüglich der Kosten. Ein begrenztes Kontingent hingegen könnte die Reduktion besser steuern. Allerdings dürften in diesem Fall die Preise instabiler sein.

Der entscheidende Punkt ist, dass die Verteilung durch einen Markt geschieht, der die Allokation effizient vornimmt. Da das Produkt (Treibhausgase) im ganzen Markt identisch ist, viele Marktteilnehmer vorhanden sind und Transparenz einfach zu gewährleisten ist, würde solch ein Emissionshandel dem idealen Markt sehr nahe kommen und die Aufgabe deutlich besser erledigen als Verbote. Wichtig dabei ist natürlich, dass der CO2-Preis für alle Branchen gleichermassen gilt, sprich das Verursacherprinzip eingehalten wird. Zum jetzigen Zeitpunkt mag es unrealistisch sein, sofort alle Industriezweige einzubinden. Mit dem Gebäude- und dem Verkehrssektor wäre schon viel gewonnen, da diese zusammen rund zwei Drittel des Schweizer Treibhausgasausstosses ausmachen. Hier wäre eine Regelung einfach, weil nur Treibstoffe und Heizöl berücksichtigt werden müssen. Mit der Zeit sollten selbstverständlich weitere Sektoren integriert werden, so dass am Ende der Ausstoss einer bestimmten Menge CO2 überall gleich viel kostet. Auf diese Weise wären alle kleinlichen Regelungen wie Emissionsgrenzwerte für Neuwagen unnötig.

Ein solcher Mechanismus wäre gerecht, weil alle genau für ihren Anteil zahlen müssen. Der Einwand, dass dies eine Ungleichbehandlung von wohlhabenden und weniger vermögenden Schichten bedeute, ist ernst zu nehmen. Trotzdem sollte die Politik der Versuchung widerstehen, unterschiedliche Anliegen miteinander
zu verknüpfen. Die Klimapolitik darf nicht zur Sozialpolitik gemacht werden und schon gar nicht zum Klassenkampf. Soziale Anliegen müssen in der Sozialpolitik angegangen werden, nicht in der Klimapolitik. Denn für das Klima spielt es keine Rolle, wie viel eine Person verdient, die CO2 ausstösst.

Die Einnahmen aus dem Emissionshandel sollten möglichst vollumfänglich an die Bevölkerung zurückverteilt werden. So hätten wir tatsächlich eine Lenkungsabgabe, die klimafreundliches Verhalten belohnt. Gleichzeitig würde vermieden, dass eine ungesunde Subventionswirtschaft entsteht und staatliche Stellen aufgeblasen werden. Die Rückverteilung kann über die Krankenkassenprämien erfolgen oder in Form von allgemeinen Steuersenkungen.

Der Blick aufs Ganze

Die globale Perspektive bedeutet zum einen, dass man die ganze Debatte etwas ruhiger führen sollte. Der Anteil der Schweiz am globalen Treibhausgasausstoss liegt bei etwa 0,1 Prozent. Rechnet man die grauen, also importierten Emissionen mit ein, sind es 0,2 Prozent. Wir werden weder den Planeten retten noch ihn zugrunde richten. Wir können einen kleinen und wichtigen Beitrag leisten, aber moralische Überhöhung unserer Klimapolitik ist angesichts der Verhältnisse deplatziert. Aus dieser Überlegung folgt, dass eine internationale Abstimmung zwingend ist. Das wurde auch von politischer Seite erkannt und beispielsweise im Abkommen
von Paris versucht. Aber die Kooperation muss weit darüber hinausgehen.

Der beschriebene Marktmechanismus sollte idealerweise auf die ganze Welt ausgedehnt werden. Das ist momentan natürlich illusorisch. Aber auf europäischer Ebene existiert bereits ein Handel. Die Schweiz sollte sich diesem möglichst schnell anschliessen und ihn weiterentwickeln, so dass dieser auf weitere Sektoren
ausgeweitet wird. Das Ziel muss ein einheitlicher und umfassender Rahmen für Treibhausgasemissionen sein. Würde dies in Europa gelingen, hätte das eine beträchtliche Signalwirkung und andere Länder würden sich anschliessen. Darüber hinaus wäre ein europäischer Handel mächtig genug, um einen «Klimaclub» zu
gründen, der an seinen Aussengrenzen für Importe einen Klimazoll erhebt. Der Einfachheit halber sollte dieser pauschal sein und nicht versuchen, für jedes Produkt die genauen Produktionsbedingungen zu eruieren, was eine riesige Bürokratie nach sich ziehen würde.

Die globale Perspektive beinhaltet aber noch einen anderen Aspekt. Heutzutage leben etwa 5 Milliarden Menschen von weniger als 15 Dollar am Tag. Es ist zu hoffen, dass sich deren Situation rasch verbessert. Das führt allerdings auch zu einem höheren Energieverbrauch, weil mehr Menschen sich Mobilität oder technische
Hilfsmittel wie Waschmaschinen leisten können. Solange Armut existiert, werden Klimaanliegen immer eine tiefere Priorität haben. Wenn klimaschonende Energieträger – ohne Subventionen – nicht günstiger als fossile Energien werden, laufen alle Anstrengungen in der Schweiz ins Leere. Das Öl würde lediglich statt hierzulande woanders verbraucht werden, und das erst noch zu einem tieferen Preis, weil die tiefere Nachfrage von hier den Weltmarktpreis drücken würde.

Offen für neue Pfade

Das führt zum letzten Punkt, der Technologieoffenheit. Damit innovative Lösungen entstehen können, braucht es neben kreativen Köpfen vor allem die Freiheit, neue Pfade auszuprobieren. Diese Freiheit ermöglichen technologieoffene gesetzliche Rahmenbedingungen, die durch finanzielle Förderung ergänzt werden können. Die Schweiz hat die Technologieoffenheit mit dem Verbot für neue Rahmengesuche für Kernkraftwerke bereits stark eingeschränkt. Das ist bedauerlich, denn in den letzten Jahren sind in der Nukleartechnik zahlreiche vielversprechende Neuerungen entstanden. Diese könnten in Verbindung mit einem immer grösseren Anteil von volatilen Energiequellen eine stützende Rolle für das Stromnetz einnehmen. Vor allem kleinere modulare Reaktoren könnten weltweit eine echte Konkurrenz für Gas- oder Kohlekraftwerke werden. Die Schweiz hat mit ihrer jahrelangen Erfahrung in Betrieb und Forschung von Nuklearanlagen eigentlich beste Voraussetzungen, dieser Technik zum Durchbruch zu verhelfen.

Die finanzielle Förderung sollte nicht über den vorgeschlagenen Klimafonds geschehen, sondern direkt den Universitäten und Forschungseinrichtungen zugutekommen, damit keine ungesunde Subventionswirtschaft entsteht. Der Staat kann beim Aufbau von Infrastruktur durchaus unterstützen. Der Rest wird aber vom Markt besser erledigt, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Hilfreich könnten auch Steuererleichterungen für private Forschung zur Verminderung von Treibhausgasen sein. Auf direkte Subventionen jedoch ist zu verzichten.

Ein neues CO2-Gesetz wird kommen. Die Treibhausgasemissionen müssen gesenkt werden. Eine Lösung, die sich stärker an liberalen Werten orientiert, könnte das Anliegen einfacher und effizienter erreichen. Besonders wichtig ist eine technologieoffene Diskussion, da die Umstellung auf neue Technologien ohne Innovation nicht umsetzbar ist. Gerade die FDP muss hier Farbe bekennen und für eine liberale Klimapolitik eintreten. Ihre Wähler waren nicht gegen das Gesetz, weil sie sich gegen Klimaschutz stellen, sondern weil sie ausufernde Bürokratie und ineffiziente Gesetze ablehnen. Wenn die liberale Stimme in der Klimadebatte wiedererstarkt, hat ein neues Gesetz an der Urne bessere Chancen.

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Lukas Robers hat am Labor für Kernenergiesysteme der ETH promoviert und ist Leiter der Arbeitsgruppe Energie bei Reatch.

Die Beiträge auf dem Reatch-Blog geben die persönliche Meinung der Autor*innen wieder und entsprechen nicht zwingend derjenigen von Reatch oder seiner Mitglieder.

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